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Rainer Wortmann

Jeden wichitgen Augenblick abspeichern, die Erinnerung wieder aufrufen und ein Bild daraus machen - mit der Hilfe eines Phantombilderstellers



Inhaltsverzeichnis

TEIL 1
Abschnitt A DER PHANTOMBILDERSTELLER
1.     Einleitung --> LESERPROBE
2.     Ein Traumjob? --> LESERPROBE
3.     Fallstudie 1: Versuchter Mord in mehreren Fällen
4.     Qualitätsanspruch
Abschnitt B DAS PHANTOMBILD
1.     Einleitung
2.     Geschichte des Phantombildes
3.     Begriff Phantombild --> LESERPROBE
3.1   Das Portrait
3.1.1 Proportionslehre Portrait
3.2   Das Profil
3.2.1 Proportionslehre Profil
3.3   Ganzkörperdarstellung / Personengruppen
3.3.1 Proportionslehre Ganzkörperdarstellung
3.4   Gegenstände
3.5   Alterslehre für Langzeit gesuchte Personen
3.6   Rekonstruierende Thanatopraxie (Gesichtsrekonstruktionen)
3.7   Rekonstruktion digitaler-Aufnahmen/Gesichtskonstruktion
3.8   weitere Möglichkeiten
Abschnitt C DER ZEUGE
1.       Einleitung
2.       Das menschliche Gedächtnis
3.       Bedeutung von Gesichtern
4.       Personenbeschreibung, Personenidentifizierung und das Gefühl der Vertrautheit
5.       Besonderheiten bei der Erinnerung an Gesichter
5.1     Zeugenfähigkeit – entscheidende Faktoren beim Zeugen
5.2.    Situative Bedingungen während der Tat/ Wahrnehmung
5.3.    Faktoren des Täters
5.4     Karikaturen und die Erkennbarkeit eines Phantombildes/ einer Person
5.5     Phänotypen und deren Erinnerbarkeit
6.       Interview-Techniken
6.1     Das kognitive Interview
6.2     Das aktive Zuhören
6.3     Tipps zur Vernehmung
6.4     Besonderheiten beim Zeugen
6.4.1. Aktueller Gesamtzustand
6.4.2. Kinder
6.4.3 Traumatisierte Zeugen
6.4.4.Psychische Erkrankungen
7.      Mitarbeit des Zeugen – Täuschung oder Wahrheit
8.      Hypnose, Trance und andere Erinnerungshilfen
Abschnitt D PERSONENBESCHREIBUNG
1.     Einleitung
2.     Übersicht Gesichtsteilbeschreibung
3.     Haare
3.1   Fallstudie 2: Autodiebstähle / Kfz-Unterschlagung
3.2   Haarstrukturen
3.3   Haarfarben
3.4   Haaransätze
4.      Stirn
5.      Augen --> LESERPROBE
5.1   Fallstudie 3: Der Vergewaltiger der Tiere --> LESERPROBE
5.2   Aufbau des Auges
5.3   Augenfarben
5.4   Augenformen
6.     Augenbrauen
7.     Nasen
8.     Mund
8.1   Zähne
9.     Wangen
10    Kinn
11.   Hals
12    Ohren
13.   Bart
14.   Kopfformen
15.   Gestalt
16.   Besonderheiten
17.   Phänotypen / Äußere Erscheinungsformen
17.1 Europäer
17.2 Afrikaner
17.3 Asiaten
17.4 Amerika und Australien
Abschnitt E DIE PHANTOMBILDERSTELLUNG
1 Einleitung
2. Erstellungsarten
3. Erstellungsort
4. Ablauf Phantombilderstellung
4.1 Übungen/Beispiele Phantombilderstellung
5. Schattentechnik und Zeichnen-Tipps
6. Problemfall Änderung des Alters
7. Problemfall mehrere Zeugen
8. Fallstudie 4: Die Cabrio-Mörder
9. Problemfall fremdsprachige oder stumme Zeugen
Abschnitt F DIE FAHNDUNG
1. Einleitung
2. Fahndungsarten --> LESERPROBE
3. Fallstudie 5: Der Drogenabhängige --> LESERPROBE
4. Rechtsgrundlagen
5. Fallstudie 6: Der Ladendieb
6. Erfolgsquoten
Abschnitt G SONSTIGES
1. Mimik
2. Das typische Verbrechergesicht
3. Phantombild aus DNA
4. Hormone zur Verbesserung der Wiedererkennung
5. Wer sind die besseren Zeugen - Frauen oder Männer?
6. Vom Prosopagnostiger bis zum Super-Recognizer
7. Medienarbeit

TEIL 2 WIE WERDE ICH EIN GUTER ZEUGE
1. Einleitung --> LESERPROBE
2. Fallstudie 7: Der Bankräuber
3. Banküberfall, Raub und Co --> LESERPROBE
4. Wie merke ich mir Gesichter
5. So bereiten Sie sich auf die Phantombilderstellung vor

Vorwort

     Unterhalten sich zwei Ermittler: „Haben wir eine Personenbeschreibung vom Täter?“; „Besser - wir haben ein Bild - ein Phantombild! Jetzt hat der Täter ein Gesicht!“
     Eine Personenbeschreibung oder die Beschreibung eines Gegenstandes, nur mit ein paar Worten erklärt, ist im Regelfall unzureichend oder ungenau. Durch ein Phantombild wird die Erinnerung eines Zeugen zu einem vorzeigbaren Bild. Der Betrachter hat nun die Möglichkeit dieses mit bekannten Personen oder Gegenständen abzugleichen. Da ein Phantombild eine subjektive Reproduktion der Erinnerung darstellt, kann es leider keine hundertprozentige Abbildung des Gesuchten sein. Mit einem guten Zeugen ist es jedoch möglich, eine sehr hohe Ähnlichkeit zu erreichen oder die individuellen Erkennungsmerkmale darzustellen. So ist es nun möglich, dass jemand den Gesuchten oder das Gesuchte wiedererkennen kann und in der Lage ist, einen hilfreichen Hinweis zur Identifizierung zu geben.

     Aber wie werde ich ein guter Phantombildersteller? Dieses Buch vermittelt alle notwendigen Kenntnisse und Grundlagen für seine Arbeit. Die verschiedensten Erstellungsarten für Phantombilder werden hierbei berücksichtigt. Es ist gleichgültig, ob mit Hilfe einer Software am Computer erstellt oder von Hand gezeichnet wird.      Ohne einen guten Zeugen ist eine erfolgreiche Phantombilderstellung nicht möglich. Der zweite Teil des Buches richtet sich deshalb an alle potentiellen Zeugen wie Bankangestellte und Verkäufer und an alle, die ihr Gehirn für die Wiedererkennung optimal trainieren möchten. Hier wird auf einfache Art vermittelt, wie man sich Personen und Gegenstände so gut einprägt, um sie anschließend visualisieren zu können.

TEIL 1
Abschnitt A
DER PHANTOMBILDERSTELLER
1. Einleitung

     Was ist ein Phantombildersteller? Ist das ein Beruf? Und wenn ja, wie und wo lässt er sich erlernen? Kann das jeder, oder sind bestimmte Voraussetzungen erforderlich? Was stellt man sich unter einem Menschen vor, der Phantombilder erstellen kann: einen Künstler, einen Psychologen, einen Polizisten – oder alles auf einmal?
     Phantombilder sind oft in der Zeitung oder im Fernsehen zu sehen. Aber kaum jemand weiß, wer oder welche Arbeit dahintersteckt. „Holt den Phantombildzeichner. Wir müssen wissen, wie der Täter aussieht“, heißt es in Krimi-Serien, wenn der Täter unbekannt ist, aber es Augenzeugen gibt.    
     Eine Phantombilderstellung ist nicht mit einer polizeilichen Vernehmung vergleichbar, bei der normalerweise jeder Ermittler die Aussage eines Zeugen aufnehmen kann. Ein Bild nach Zeugenangaben zu fertigen, dafür bedarf es eines Spezialisten. Er muss in der Lage sein, etwas zu erstellen, das anschließend wie ein Foto herumgezeigt werden kann. „So sieht also der Gesuchte aus! Wer kennt ihn?

2. Ein Traumjob?
     Als ich, Rainer Wortmann, bei der Polizei mit der Ausbildung anfing, hatte ich bereits etwas über Phantombilder gehört. Sie waren ein Thema im Zusammenhang mit Ermittlungs- und Vernehmungsmethoden. Mir war jedoch schleierhaft, wie so etwas genau funktioniert. Geschweige denn konnte ich mir vorstellen, selbst einmal in der Lage zu sein, Phantombilder zu fertigen.
     Meine ersten Erfahrungen als Polizeibeamter nach der fast zweieinhalb Jahre dauernden Ausbildung sammelte ich bei einem Polizeirevier am Rande der Landeshauptstadt Stuttgart. Vier Jahre lang fuhr ich im Schichtdienst Tag und Nacht Streife durch mehrere Stadtbezirke und nahm Verkehrsunfälle auf, schlichtete Streitigkeiten, vernahm Opfer verschiedenster Straftaten, suchte nach Spuren bei Wohnungseinbrüchen, hielt betrunkene Autofahrer an, verfolgte Umweltstraftaten, kontrollierte Lkw-Fahrer und vieles mehr. Es ist die Hauptaufgabe der uniformierten Schutzpolizei, immer der Erste vor Ort zu sein und den sogenannten „ersten Angriff“ durchzuführen. Also zu prüfen, was genau passiert ist oder passieren kann, und die ersten unaufschiebbaren Maßnahmen zu treffen. .

     Es ist dann die Aufgabe der Kriminalpolizei, die weiteren Ermittlungen durchzuführen und insbesondere schwere Straftaten aufzuklären.
     Die Kriminalpolizei ist untergliedert in ermittlungsführende Dienststellen und Servicedienststellen wie die Kriminaltechnik und den Erkennungsdienst. Dieser Dienststelle, die für alle Bereiche der Identifikation von Straftätern zuständig ist, galt mein besonderes Interesse. Insbesondere die Einführung der digitalen Bildfertigung mittels Computer Mitte der 90er Jahre eröffnete neue Möglichkeiten in der Tätersuche. Für den Fall, dass der Täter bislang nicht von der Polizei fotografiert worden war, wurde zudem eine Software zur Fertigung von Phantombildern entwickelt. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es nur vereinzelt Kollegen, die mit einem Foliensystem oder durch Zeichnen von Hand in der Lage waren, Phantombilder zu fertigen. Freischaffende Künstler waren schon seit längerer Zeit aus Datenschutz- und Kostengründen und insbesondere wegen fehlender Vernehmungskenntnisse nicht mehr eingesetzt worden.

     Nun konnte jeder Phantombilder fertigen, der mit einer Einweisung und etwas Übung in der Lage war, die neue Software zu bedienen. Es wurde zu einer Standardaufgabe eines Sachbearbeiters beim Erkennungsdienst der Polizei in Stuttgart. Zudem war es begeisternd, bei der Softwareentwicklung mitzuhelfen. Grafikprogramme ließen sich fortan nicht mehr nur zur Verschönerung von Urlaubsbildern verwenden, sondern auch zur Verbrechensbekämpfung. Die Aufklärungsquote stieg. Insbesondere bei Straftaten, die den Ermittlern keine weiteren Ansatzpunkte zur Fahndung nach dem Täter boten. Zu dieser Zeit gab es hierzulande leider noch keine Lehrgänge speziell für den Bereich der Phantombilderstellung. Die gab es allenfalls ins Ausland. Mittlerweile gibt es in einigen deutschen Bundesländern qualifizierte Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten für diese spezielle Polizeiarbeit.
     Phantombilderstellung ist heutzutage ein fester Bestandteil des Polizeidienstes. Zum Teil wird sie dezentral bei der Kriminaltechnik, bei örtlichen oder für einen Bereich zuständigen Schutzpolizeidienststellen, oder zentral als spezielle Dienststelle beim für ein ganzes Bundesland zuständigen Landeskriminalamt untergebracht

     Zum Großteil sind Phantombildersteller Polizeibeamte, die nach ihrer Ausbildung irgendwann in ihrer beruflichen Laufbahn diesen Weg eingeschlagen haben. Es gibt aber auch Kollegen und Kolleginnen, die nach einem Studium wie Grafik- oder Modedesign anschließend ihren Weg zur Polizei in diesen speziellen Bereich fanden.
     Der Berufseinstieg ist also nicht so ganz einfach, wenn man einmal den Entschluss gefasst hat, Phantombildersteller zu werden. Den Phantombildersteller als eigenständigen Beruf gibt es nicht. Es gibt kein spezielles Studium für diese Tätigkeit. Entweder startet man seinen beruflichen Werdegang als Polizeibeamter mit dem Ziel, einmal bei der Kriminaltechnik zu landen. Oder man bewirbt sich nach einem vorzugsweise grafischen Studium auf eine der wenigen Stellen bei einem Landeskriminalamt.

     In anderen Ländern sieht es ähnlich aus wie in Deutschland. Die Phantombildersteller sind fast überall bei der Polizei angestellt. Viele erstellen Phantombilder zusätzlich zu ihrer sonstigen Tätigkeit. Es wird zu einer Vollzeittätigkeit, wenn der Bedarf groß genug ist und es nur wenige oder gar einen einzigen Phantombildersteller im Bereich gibt.
     In einigen Ländern wie Deutschland und den USA bieten Behörden und erfahrene Phantombildersteller spezielle Lehrgänge für diese Sparte an. Das Absolvieren solcher Kurse und langjährige Erfahrung macht einen Phantombildersteller professioneller und begehrter für die Nutzung seiner Dienste.
     Klar ist es ein Traumjob! Schon Polizist zu werden oder für die Polizei zu arbeiten, ist einer der weltweit wohl größten Kinderwünsche, weil Polizisten immer wieder kleinere oder größere Helden sind und Menschen in Not helfen. Der Phantombildersteller setzt dafür zusätzlich seine ganz speziellen Fähigkeiten ein. In manchen unlösbar scheinenden Fällen kann nur noch er helfen, und sonst niemand.

DAS PHANTOMBILD
3. Begriff Phantombild


     Ein Phantombild ist ein aus der Erinnerung gefertigtes Bild mit individuellem Wiedererkennungswert zur visuellen Fahndungsunterstützung. Es ist nicht das Bild eines Phantoms, also einer unwirklichen Gestalt, wie der Begriff vermuten lässt.
     Der Begriff Phantombild hat sich trotz unglücklicher Wortwahl hierzulande über viele Jahrzehnte etabliert und fast jeder weiß ziemlich genau, was damit gemeint ist.
     In anderen Ländern und Sprachen gibt es für das Wort Phantombild keine direkte aber eine sinngemäße Übersetzung. Beispielsweise wird in den USA der Begriff „Composite“ verwendet, was eher „Zusammengesetzt“ bedeutet. In Großbritannien nennt man es „Foto-Fit“ und in vielen östlichen Bereichen von Europa „Foto-Robot“. In manch anderen Länder fehlt ein Begriff für das Phantombild, und was im deutschsprachigen Raum darunter verstanden wird, sogar ganz.

     Unter dem Begriff Phantombild versteht man aber nicht nur die klassische Darstellung eines Portraits von einem Täter. Weitgehende Individualität vorausgesetzt, kann es jede Visualisierung von etwas Gesuchtem, eine Zusammenstellung verschiedener Informationen oder sogar eine Reproduktion schlechter Bild-Aufnahmen sein.
     Durch den Begriff Phantombild wird dem Betrachter mitgeteilt, dass es sich bei der Darstellung nicht um eine identische Abbildung, sondern nur um eine ähnliche Illustration des Gesuchten handelt. Es soll dem Betrachter ausreichend Anhaltspunkte und genügend Entscheidungsspielraum für eine Wiedererkennung geben.
     Die Voraussetzung für ein Phantombild ist demnach das Vorhandensein eines gewissen Wiedererkennungswertes. Dieser ist mit dem Grad der Einzigartigkeit gekoppelt. Wenn etwas nicht häufig vorkommt oder selten ist, lässt es sich eher bestimmten Person oder Gegenständen zuordnen, als ein massenhaft gleichartiges Aussehen.
     Grundsätzlich ist die Aussagekraft eines Phantombildes umso einzigartiger, je mehr Informationen zum Gesuchten vorhanden sind. Manchmal reicht aber auch ein einziges Merkmal an der richtigen Position.

PERSONENBESCHREIBUNG
5. Das Auge


     Die Augen sind wohl der faszinierendste Teil unseres Körpers. Ausdruckstark und der Spiegel der Seele, so wird behauptet. Wenn uns jemand gegenübersteht, schauen wir der Person normalerweise zuerst und recht lange in die Augen. Sie werden deshalb am besten im Gehirn abgespeichert. Die Augen sind deshalb für die Phantombilderstellung der wichtigste Gesichtsteil. Das Auge besitzt viele verschiedene Merkmale. Es gibt unterschiedliche Formen, Positionen, Größen und verschiedene Farben der Iris. Die Augen haben für sich gesehen deshalb schon einen sehr hohen Wiedererkennungswert. Fast alles im Gesicht lässt sich durch plastische Chirurgie verändern, jedoch nicht die Lage der Augen.
Hier ein paar Beispiele von Schauspielern im Original und in verschiedenen Masken. Hätten Sie alle erkannt?

Augen

5.1 Fallstudie 3: Der Vergewaltiger der Tiere

     Es ist schon viele Jahre her und vermutlich erinnert sich kaum noch jemand an diesen Fall. Die „Opfer“ waren eine 10 Jahre alte Limburger Kuh und ein 6 Jahre altes Schwäbisch Hallesches Schwein. Beide waren auf einem Schaubauernhof beheimatet.
     Eines Morgens, als die Betreuerin des Bauernhofes ihre erste Runde machte, bemerkte sie etwas Ungewöhnliches im Stall. Dort war ein fremder Mann der und hier nicht hin gehörte. Er sah verwahrlost aus. Er hatte lange verstrubbelte Haare, trug einen langen Vollbart mit wildem Wuchs und einen langen schwarzen Mantel. Als die Betreuerin ihn ansprach, flüchtete er und verschwand über die Umzäunung des Geheges.
     Der Tierarzt stellte später Verletzungen am Genitalbereich der beiden Tiere fest. Zudem wurden Spermaspuren gefunden.
     Wir fertigten anschließend mit der Betreuerin ein Phantombild des Vergewaltigers der Tiere. Es ähnelte sehr einem Waldmenschen, wie man ihn aus Sagen und Legenden kennt.
     Man fasste ihn relativ schnell. Er hielt sich öfters in der Nähe auf, um mit den Kühen zu muhen. Als er später frisiert und der Bart abrasiert war, hatte er kaum noch Ähnlichkeit mit dem Phantombild. Man erkannte ihn nur noch an den Augen.

5.2 Aufbau des Auges

     Der Hauptteil des Auges, der Augapfel, hat nahezu die Form einer Kugel mit einem Loch als Öffnung in das Innere, der Pupille. Um die Pupille befindet sich ein Muskel (Iris), welche die Öffnung für mehr oder weniger Lichteinfall vergrößern und verkleinern kann. Die Iris und die Pupille sind durch eine Hornhaut geschützt, welche leicht erhöht von der Rundung des Augapfels vorsteht. Der Augapfel befindet sich in einer Knochenhöhle, hinter einer mehr oder weniger waagerechten Hautöffnung, den Augenlidern. An diesen befinden sich die Wimpern. Kleine Haare, welche das Auge zusätzlich vor äußeren Einwirkungen schützen sollen. Oberhalb des Auges befinden sich die Augenbrauen, als weiterer Schutz vor beispielsweise von der Stirn herabfließendem Schweiß oder Wasser.

     Die obere Linie der Hautöffnung des Auges und die Pupille werden sehr dunkel gezeichnet. In der Pupille weiße Spiegelungen frei lassen. Diese können auf die Iris erweitert werden. Die Iris wird wie ein Muskel mit Linien sternförmig von der Mitte ausgehend versehen. Zu beachten ist die Breite der Hautöffnung, insbesondere an der Unterseite. Die oberen und unteren Wimpern leicht schwungvoll von innen nach außen zeichnen. Den Augapfel an den Rändern leicht verlaufend dunkler zeichnen. Augenfurchen und -falten nicht

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DIE FAHNDUNG
7. Die Fahndung


     Eine oft gestellte Frage ist: Wie hoch ist die Erfolgsquote von Phantombildern. Gibt es eine zuverlässige Statistik, wie viele Straftaten durch die Erstellung und die Veröffentlichung eines Phantombildes geklärt werden?
     Soll eine Statistik zeigen, ob es den Aufwand Wert ist, mit einem Zeugen über mehrere Stunden ein Bild des Gesuchten zu erstellen? Kann man an Zahlen feststellen, wie erfolgreich ein Phantombild sein kann, wie hoch der Wert oder der Anteil an der Fallaufklärung ist? Wären die Fälle auch ohne Phantombild geklärt worden?
     Zunächst müsste festgestellt werden, wie Erfolg überhaupt gemessen wird. „Den kenne ich. Ich rufe gleich bei der Polizei an und teile Ihnen mit, um wen es sich handelt.“ Ein Phantombild wurde veröffentlicht und ein Zeitungsleser erkannte auf dem Bild eine ihm bekannte Person. Dies ist die klassische Vorstellung des Erfolges eines Phantombildes.
Es gibt aber noch eine Vielzahl weiterer Erfolgs-Varianten.

     Sobald ein Phantombild einem Ermittler bei der Aufklärung des Falles hilft oder einem Zeuge das Gefühl vermittelt, dass er maßgeblich bei der Aufklärung einer Straftat geholfen hat, kann bereits von einem Erfolg gesprochen werden. Der Phantombildersteller leistet seinen Beitrag für die Aufklärung der Straftat, für den Zeugen und für sich selbst. Jedes Phantombild ist auch immer Training.

     Hier ein paar Varianten mit mehr oder weniger Erfolg:

- Phantombild – Hinweis – Treffer
     Ein Phantombild wird in der Presse oder im Fernsehen veröffentlicht. Es kommt ein Hinweis aus der Bevölkerung. Diesem Hinweis wird nachgegangen. Es stellt sich heraus, dass es sich bei dem Tipp um den Gesuchten handelt. Der Täter ist gefasst und die Straftat aufgeklärt.

- Phantombild - kein Hinweis - hohe Ähnlichkeit - zusätzliches Indiz für die Ermittlungen
     Auf das veröffentlichte Phantombild kommen keine oder nur falsche Hinweise. Das Phantombild hat jedoch, wie es sich später herausstellt, eine sehr hohe Ähnlichkeit mit dem Gesuchten. Der Ermittler hatte bereits einen Tatverdächtigen im Visier. Das Phantombild bestätigte ihm, dass er auf der richtigen Spur war. Es war einer von vielen Bausteinen, welche am Ende dazu führten, den richtigen Täter zu fassen.

- Phantombild - keine Ähnlichkeit - Treffer
     Das Phantombild wird veröffentlicht. Die Polizei hat zu diesem Zeitpunkt noch keine Ahnung, wie der Täter ausgesehene hat. Es gibt noch keinen Tatverdacht. Es meldet sich ein Hinweisgeber, welcher die Person zu kennen vermutet. Der Tatverdächtige hat aber keine Ähnlichkeit mit dem Phantombild. Die Ermittlungen ergeben jedoch, dass diese Person der Gesuchte ist. Irgendetwas in dem Phantombild hat der Hinweisgeber dazu bewogen, den richtigen Tipp abzugeben. Vielleicht waren es die Gesamtumstände, die passende Zeit und die richtige Örtlichkeit (Alibi), dessen Neigungen oder Verhalten, ein lange gehegter Verdacht oder nur das Muttermal an der richtigen Stelle auf dem Phantombild.

     Es ist schon ein paar Jahre her, aber hierfür ein passendes Beispiel: In einem Betrugsfall wollten die Ermittler einen Tatverdacht mit einem Phantombild bestätigen. Das erstellte Bild hatte jedoch überhaupt keine Ähnlichkeit mit dem Verdächtigen. Waren die Ermittler vielleicht auf der falschen Spur? Die Grundlage des Tatverdachts war ein aufgefundenes Dokument des Täters mit dessen Namen inklusive Unterschrift. Aber die Person auf dem Phantombild war sehr schlank, sogar eher hager. Der Tatverdächtige ist aber dick. Ein Unterschied wie beim Komiker-Paar Stan Laurel und Oliver Hardy. Letztendlich stellte sich heraus, dass der Täter die Personalien dieser anderen Person verwendete, welche zunächst zu unrecht in Verdacht geraten war.
Erst das Phantombild führte die Ermittler auf die richtige Spur.

- Phantombild - keine Ähnlichkeit - kein Treffer - Beschreibungsumfang gegenüber dem Phantombildersteller helfen jedoch bei den Ermittlungen
     Das Phantombild wir veröffentlicht. Es kommen aber keine Hinweise. Das Phantombild hat nur wenig Ähnlichkeit mit dem Täter, da der Zeuge keine genauen Erinnerungen mehr an dessen Gesicht hatte. Der Zeuge konnte sehr gute Angaben zur Bekleidung und einer auffälligen Gehbehinderung, dem hinterherziehen des linken Beines, machen. Zudem roch der Gesuchte stark nach einem Raucher. Diese Hinweise grenzten den Kreis der Tatverdächtigen stark ein. Der Täter konnte bald gefasst werden.
Das Phantombild an sich war hierbei zweitrangig. Gerade bei der Vernehmung zu einem Phantombild wird auf jedes Detail der gesuchten Person eingegangen. Der Beschreibungsumfang ist so hoch, dass die Summe der Merkmale sehr individuell sein kann.

- Phantombild - Ähnlichkeit nicht zu ermitteln - Straftaten (Serie) lassen jedoch nach
     Viele Fahrräder wurden im Stadtgebiet gestohlen. In einem Fall hat ein Zeuge aus einiger Entfernung den Täter dabei beobachtet. Das mit ihm gefertigte Phantombild wird veröffentlicht. Prompt hören die Fahrraddiebstähle auf. Ist es Zufall? Oder hat der Täter sein Bild, beziehungsweise das Phantombild von ihm, in der Zeitung gesehen? Hat er jetzt Angst, dass man ihm auf der Spur ist? Der Täter wurde nie gefasst.
Hat das Phantombild weitere Straftaten verhindert?

- Phantombild - Hinweis auf ähnliche Fälle - Ermittlungen laufen - Beweislage offen
     Ein Einbruch hoch im Norden von Deutschland. Ein Zeuge konnte gerade noch sehen, wie die Einbrecher mit einem dunklen Lieferwagen davonfuhren. An das Kennzeichen konnte er sich nicht erinnern. Aber den Fahrer konnte er sehr gut beschreiben. Deshalb wurde mit seiner Hilfe ein Phantombild gefertigt. Die Veröffentlichung ergab leider keine nennenswerten Hinweise. Kurze Zeit später geschah einige hundert Kilometer südlich wieder ein Einbruch.

     Ein Nachbar beobachtete, wie nebenan zwei Personen die Terrassentür aufbrachen und anschließend Wertgegenstände aus dem Haus trugen. Die beiden Phantombilder dieser Täter führen auch hier zunächst zu keinem Ergebnis. Da vermutet wurde, dass es sich um überörtlich tätige Einbrecher handelt, wurden die Phantombilder an alle Phantombildersteller in Deutschland übermittelt.
     Es stellte sich heraus, dass sich Phantombilder aus mehreren ungeklärten Einbrüchen fast bis aufs Haar glichen. Weitere Ermittlungen ergaben weitere Übereinstimmungen und Tatzusammenhänge. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis man die Einbrecher fasst.
Mit DNA-Spuren, gesicherten Fingerabrücken und nicht zuletzt durch die Phantombilder wird man ihnen eine Vielzahl an Straftaten zum Vorwurf machen können.

     Eine andere Variante außer der der Fall-bezogenen Erfolgsquote ist die personenbezogene Sichtweise.

     Wer könnte alles für einen Erfolg verantwortlich sein?
     Schon der Zeuge selbst könnte bereits in seinem gefertigten Phantombild den Täter wiedererkennen.
     Ebenso ist es möglich, dass der Phantombildersteller auf dem Bild den Täter erkennt. Vielleicht hat er vormals eine ähnliche Person dargestellt. Er kann ihn auch beispielsweise von früheren Fahndungsbildern, Bildern von erkennungsdienstlichen Behandlungen oder aus anderen Ermittlungen her kennen.
     Der häufigste Fall ist, dass der ermittelnde Sachbearbeiter oder einer seiner Kollegen den Täter auf dem Phantombild wiedererkennt. Durch zum Teil langjährigen berufsbedingten Kontakt kennen sich diese beiden Personengruppen. Deshalb werden Phantombilder oftmals zunächst im Kollegenkreis der Ermittler herumgezeigt.
     Nicht selten erkennen Polizeibeamte während ihrer Streifenfahrt in der Nähe des Tatorts oder wo sich Straftäter bekanntermaßen aufhalten den Gesuchten mit Hilfe des Phantombildes.

     Oftmals stellt sich sogar der Täter selbst, da er sein Phantombild in der Zeitung gesehen hat. In seinem Bekanntenkreis wird er schnell zum Gesprächsthema Nummer eins. Auch wenn niemand seine Identität preisgeben will, der Druck wird oft zu groß und der Gesuchte meldet sich von selbst. Oder seine Familie, Freunde oder Geschäftskollegen drängen ihn dazu, sich zu stellen. Wem kann man hier den Erfolg zuschreiben?
     Ein Zeitungsleser sitzt in einem Lokal und schaut sich gerade das darin veröffentlichte Phantombild an. Die Person, welche ihm gegenübersitzt, sieht doch genauso aus. Oder ist es doch der neue Nachbar? Er ist ihm eh schon verdächtig vorgekommen.

     Diese Aufstellung ist nicht abschließend. Sie lässt aber erkennen, dass es eine Vielzahl an Möglichkeiten gibt, wie und durch wen ein Phantombild zum Erfolg führen kann.

     Eine Messlatte für Phantombilder zu finden, ist deshalb recht schwer. Ab wann soll ein Erfolg als solcher gemessen werden? Wenn bereits ein Zeuge mit der Arbeit der Polizei zufrieden ist oder erst wenn der Täter wegen dem Phantombild gefasst wurde? Oder wenn der Ermittler mit der Arbeit des Phantombilderstellers zufrieden ist? Für den Phantombildersteller ist es bereits ein Erfolg, wenn Ermittler oft seine Dienste in Anspruch nehmen.

     Diese Beispiele machen deutlich, dass es ein Vielzahl an unterschiedlichen Aufklärungsmöglichkeiten gibt und ein ganzes Team für einen Erfolg erforderlich sein kann. Angefangen beim Zeugen, dem Ermittler, dem Phantombildersteller, den Medienvertretern, dem Hinweisgeber, den eingesetzten Polizeibeamten, und nicht zuletzt dem Gesuchten, vielleicht auch dessen Bekannte, welche auf ihn positiv einwirken. Wie auch immer das Phantombild verwendet wird. Begonnen bei dem Gedanken, dass es dieses Fahndungsmittel überhaupt gibt.

8. Fallstudie 8: Der Sexualstraftäter

     Es passierte an einem schönen Nachmittag mitten in der Woche. Eine junge Frau geht von der Schule nach Hause. Sie wohnt in einem kleinen Dorf am Rande von Stuttgart. Ihr Nachhauseweg führt über mehrere größere und kleinere Straßen. Sie ist alleine unterwegs. Nur noch wenige 100 Meter von zu Hause entfernt, hört sie plötzlich Schritte hinter sich, welche sich schnell nähern. Noch bevor sie sich umdreht, fasst sie ein unbekannter Mann von hinten unsittlich an. So sehr, dass später davon Hämatome zu sehen sind.
     Die junge Frau fängt an zu schreien, worauf der Täter sich verflüchtigt. Vermutlich wegen der Schreie, oder weil in der Nähe eine Zeugin auf den Vorfall aufmerksam wurde, ließ er von einem weiteren Vorhaben ab.
     Ein paar Tage später wird im Beisein der Ermittlerin ein Phantombild mit der jungen Frau gefertigt.

     Noch bevor das Bild ganz fertig ist, äußert die Sachbearbeiterin, dass sie in dem Phantombild eine bestimmte Person zu erkennen glaubt. Je länger sie das Bild ansieht, umso sicherer wird sie.
     Die hohe Ähnlichkeit des Phantombildes mit dem Bild des Tatverdächtigen aus der polizeilichen Datenbank ist verblüffend. Er trug sogar noch den gleichen Pullover.
     Der Verdächtige, welcher nur ein paar hundert Meter vom Tatort entfernt wohnt, ist bereits einschlägig bei der Polizei bekannt. Insbesondere wegen mehreren schweren Sexualstraftaten.
     Noch bevor das Phantombildes ganz fertig war, kannte man den Täter.



TEIL 2
WIE WERDE ICH EIN GUTER ZEUGE?
1. Einleitung

picture      Keine Angst! Sie glauben nicht, dass Sie in der Lage sind mit einem Phantombildersteller ein Phantombild zu fertigen? Außer dem Phantombildersteller weiß das niemand, bevor man es versucht. Da die Funktion der Wiedererkennung angeboren ist, ist bereits eine Grundlage vorhanden. Alle Personen, die uns wichtig sind, in positivem und negativem Sinn, werden in hierfür spezielle Gehirnbereiche abgespeichert. Je wichtiger die Person ist, umso genauer kann man sich an die Person erinnern.

     Der gut ausgebildete Phantombildersteller kann diese Erinnerung abrufen und mit Ihrer Hilfe ein vorzeigbares Bild fertigen.
     Das bedeutet, dass ein Phantombildersteller ohne Sie gar nichts machen kann. Er ist auf Sie angewiesen. Sie sind die Erinnerung und er das Werkzeug. Sie und der Phantombildersteller bilden das Team, den Gesuchten darzustellen. So werden Sie zum Held.
     In diesem Kapitel wird nicht nur gezeigt, wie die Phantombilderstellung funktioniert. Sie erfahren auch, wie man die angeborene Wiedererkennungs-Fähigkeit trainieren und verbessern kann.
     Seien Sie gewiss, alles was Sie bewusst sehen und im Gehirn abgespeichert wird, kann abgerufen und dargestellt werden. Ihr Auge stellt praktisch eine Kamera dar. Ihr Gehirn speichert das Gesehene wie auf einer Filmrolle ab, und der Phantombildersteller mach einen Abzug davon.
     Wenn Sie Zeuge einer Straftat werden und von der Polizei gefragt werden, ob Sie in der Lage sind, ein Phantombild von dem Gesuchten erstellen zu lassen, versuchen Sie es. Auch wenn Sie es nicht genau wissen, ob und wie es funktioniert. Man weiß es immer erst, wenn man es versucht hat. Im schlimmsten Fall ist es immer noch eine Übung für den Phantombildersteller

3. Banküberfall, Raub und Co

     Es gibt viele verschiedene Arten von Straftaten. Bei vielen Straftaten ist der Täter unbekannt und muss zunächst noch identifiziert werden. Sie haben den Täter zwar gesehen aber wissen nicht wie er heißt, wo er sich aufhält und wie man ihn finden kann. Nur Sie können der Polizei helfen. Sie braucht ein Phantombild des Täters.
     Das Aussehen der Person und dessen Identifizierung ist zudem oft durch Maskierungen, mitgeführte Gegenstände, mehrere Täter, zu kurzen Kontakt, Dunkelheit oder viele andere Faktoren erschwert.
     Was können Sie nun tun, um die Chancen zu vergrößern, den Täter zu identifizieren? Was reicht aus? Was ist wichtig?

     Hier ein paar Beispiele:

Banküberfall
     Sie arbeiten in einer Bank am Schalter. Heute ist nicht sehr viel Publikumsverkehr. Die meisten der anwesenden Personen kennen Sie. Sie freuen sich aber auch auf neue Kundschaft. Dann betreten zwei Männer den Vorraum. Beide sind maskiert. Einer trägt eine Perücke und eine übergroße dunkle Sonnenbrille. Der andere hat eine Strumpfmaske über den Kopf gezogen. Der mit der Sonnenbrille kommt direkt auf Sie zu. Er hat eine Waffe in der Hand. Mit vorgehaltener Pistole fordert er sie auf, das Bargeld herauszugeben und in seine mitgebrachte Tasche zu stecken. Er droht Ihnen, die Waffe zu benutzen, wenn Sie einen Alarm auslösen. Sie befinden sich jetzt in einer Stresssituation, denken nur an die Waffe und das Geld. Sie greifen sich das Geld und stecken es so schnell Sie können in die Tasche. Sie bekommen am Rande mit, dass der andere Täter die Besucher und Ihre Kollegen in Schach hält. Sie denken, hoffentlich geht alles gut und ihren Kollegen und den Besuchern passiert nichts.
     Sie müssen sich nun zusammenreißen. Konzentrieren Sie sich und halten kurz inne. Atmen Sie einmal lange ein und aus. Nutzen Sie diese Stresssituation. Ihr Gehirn ist gerade sehr aktiv.

     Es gibt in dieser Situation mehrere Dinge, welche Sie sich in Erinnerung rufen sollten. Lassen Sie sich von der Waffe nicht ablenken. Diese Ablenkung nennt man den „Fokuseffekt“. Das bedeutet, sie konzentrieren sich auf die Waffe, da diese für Sie eine Bedrohung und Gefahr darstellt. Die Gefahr geht aber vom Täter und nicht der Waffe aus. Schauen Sie sich die Waffe deshalb nur kurz an und versuchen zu erkennen, um was für eine Waffe es handelt. Ist es ein Revolver mit Trommel oder eine Automatikwaffe ohne Trommel und was für eine Farbe hat sie? In welcher Hand hält der Täter die Waffe?
     Konzentrieren Sie sich nun unauffällig auf den Täter. Merken Sie sich das Gesicht. Schätzen Sie das Alter, die Größe und den Phänotypus. Versuchen Sie bei jeder Gelegenheit, hinter die Maskierung zu schauen, hinter die Sonnenbrille, wenn er den Kopf wendet. Vielleicht sehen Sie den Haaransatz unter der Perücke.
     Prüfen Sie: Was macht das Aussehen dieser Person aus, was macht ihn individuell? Hat er etwas Besonderes wie Grübchen, Narben, Muttermale, schiefe Zähne, Ohrringe, vorstehende Wangenknochen, Falten oder ähnliches?

     Merken Sie sich zudem, wenn er etwas sagt, den Tonfall und die Sprache. Hat er einen Dialekt, Akzent, spricht er schnell oder stottert er?
     Wenn Sie sicher genug sind, dass Sie sich das Gesicht gemerkt haben, merken sie sich seine Kleidung. Was trägt er für eine Oberbekleidung, Hose und Schuhe.
     Mehrere Täter stellen eine weitere Schwierigkeit dar, sich auf etwas zu konzentrieren und nicht ablenken zu lassen. Grundsätzlich sollten Sie sich auf einen Täter konzentrieren. Die Phantombilder der jeweils anderen Täter kann man eventuell mit anderen Zeugen fertigen. Falls Sie jedoch alleine mit mehreren Tätern sind, nutzen Sie die Zeit und versuchen, möglichst viele individuelle Merkmale zu erkennen. Je mehr Kombinationen es gibt, umso individueller ist diese Personengruppe und umso einfacher gestalten sich die Fahndung und die Identifizierung.
     Weitere hilfreiche Informationen sind Fluchtfahrzeug, Kennzeichen, Fluchtrichtung und die genaue Uhrzeit.

Raub
     Sie waren Einkaufen in der Fußgängerzone und wollen nun nach Hause. Sie gehen Richtung Haltestelle der S-Bahn. Um den Weg ein wenig abzukürzen gehen Sie durch eine kleine Seitenstraße. Plötzlich kommt von hinten eine Person und greift nach Ihrer Handtasche. Sie tragen die Tasche aber mit dem Griff über die Schulter. Sie können deshalb Ihre Tasche noch ergreifen und es kommt zu einem Gerangel. Der Täter ist aber stärker. Er entreißt Ihnen die Tasche und läuft weg. Sie stehen kurz unter Schock bleiben wie angewurzelt stehen. Es ging alles ganz schnell. Gerade war die Welt doch noch in Ordnung. Der Täter ist weg. Er hat Ihre Tasche, den Geldbeutel, die ganzen Ausweisdokumente, EC-Karte, und vieles mehr.
     Während der Rangelei um Ihre Tasche haben Sie den Täter nur ganz kurz gesehen. Aber jede Millisekunde, in der wir etwas sehen, wird im Gehirn abgespeichert.

     Unser Gehirn entscheidet, ob die Information wichtig oder unwichtig ist. Unwichtige Informationen werden herausgefiltert. Bei bereits bekannten Informationen wird überprüft, ob sie neu abgespeichert werden müssen oder nicht. Diese Situation, obwohl sie sehr kurz war, wird auf jeden Fall abgespeichert. Sie ist neu und diese Person ist Ihnen sehr wichtig. Sie werden diese Person nie zu Ihren Freunden zählen wollen. Deshalb prägt sich sein Aussehen Ihnen auch bei sehr kurzem Kontakt ein. Sie werden diese Person immer wiedererkennen. Auch Jahre später, wenn Sie sie irgendwo wieder treffen.

Körperverletzung
     Sie befinden sich mit Freunden in einer Diskothek. Später am Abend, als Sie etwas angetrunken sind, werden Sie von einer Person aus einer anderen Gruppe angerempelt. Es ist sehr laut, weshalb Ihre Worte falsch verstanden werden. Plötzlich steigert sich deshalb das Aggressionspotential der anderen Person, wird handgreiflich und verletzt Sie mit ein paar Schlägen. Anschließend verschwindet die Gruppe. Niemand kannte die Personen. Sie waren noch nie vorher da.
     Die wichtige Personen-Speicherfunktion, um Freunde von Feinden zu unterscheiden, war in diesem Fall eingeschränkt. Durch den Alkoholkonsum war sie nicht 100 Prozent leistungsfähig. Zudem gab es weitere Schwierigkeiten für eine spätere Wiedererkennung. In der Diskothek war es sehr dunkel und man konnte nicht viel erkennen. Zudem entsprach die äußere Erscheinungsform der Personen nicht dem bekannten westeuropäischen Aussehen. Sie können nicht genau zuordnen, aus welcher Region der Welt sie stammen könnten.

     Durch den direkten Angriff hätte sich grundsätzlich das Aussehen dieser Person in Ihrem Gehirn abgespeichert, so dass Sie den Angreifer später wiedererkennen können. Sie sind in diesem Fall je nach Schwere dieser Faktoren ein mehr oder weniger guter Zeuge für eine Phantombilderstellung. Je nachdem, wie stark Sie die Faktoren Alkoholkonsum, Dunkelheit und eine fremde äußere Erscheinung, bei der die einzelnen Unterscheidungsmerkmale weniger bekannt sind, beeinflusst hat.

Verdächtige Wahrnehmung beim Joggen
     Sie sind bereits eine halbe Stunde auf Ihrer Joggingstrecke unterwegs. Aus Ihren Kopfhörern klingt ein eigentlich zu langsames Lied für Ihre Lauf-Geschwindigkeit. Der Weg vor Ihnen verläuft noch etwa 100 Meter ein wenig bergab. Dann kommt eine Weggabelung, ab der es wieder leicht bergauf geht. An der Gabelung führt rechts ein Feldweg nach ein paar Meter auf eine Wiese. Neben diesem Weg verläuft ein kleiner Bach. Warum steht dort heute ein weißer Lieferwagen? Sie beobachten, wie eine Person von der hinteren Pritsche eine große helle Tüte auslädt und in den Bach wirft. Was Sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen, in der Tüte befinden sich Leichenteile. Für Sie sah es so aus, als ob jemand normalen Müll beseitigen möchte. Da man das nicht darf, merken Sie sich das Kennzeichen. Sie haben vor, den Vorfall der Polizei zu melden, wenn Sie wieder daheim angekommen sind. Auf dem Rückweg, ein paar hundert Meter vor Ihrem Haus, fährt der Lieferwagen direkt an Ihnen vorbei. Der Fahrer dreht seinen Kopf zu Ihnen und schaut Sie direkt an. Er hat einen stechenden Blick, den Sie nie mehr vergessen werden.

     Ein paar Tage später teilt Ihnen die Polizei mit, dass es sich mit dem von Ihnen genannten Kennzeichen, um ein gestohlenes Fahrzeug handelt. Zudem waren im Müll Teile einer weiblichen Person. Zum Glück wissen Sie noch genau, wie die Person ausgesehen hat. Der Mann hatte Sie mit seinem Blick so sehr beeindruckt, dass Sie in der Lage sind, ein Phantombild von ihm erstellen zu lassen.

Beischlafdiebstahl
     Dieses Delikt klingt ein wenig ungewöhnlich. Es beschreibt folgendes: Sie lernen jemanden kennen und verbringen dann gleich die erste Nacht zusammen. Nach dem One Night Stand wachen Sie auf und sind alleine. Der Partner ist in der Nacht heimlich gegangen. Noch im Halbschlaf stellen Sie fest, dass Ihr Smartphone und Ihr Geldbeutel samt Inhalt fehlen. Die angegebene Telefonnummer und der Name sind falsch.
     Nun war für Sie diese Person bislang nicht gerade ein feindliches Individuum. Falls Sie diese Person sehr attraktiv fanden, war Ihr Gehirn genauso aktiv wie bei einem Angriff. Nur eben im positiven Sinn.

     Das Gesicht wurde als positive Wiedererkennung abgespeichert. Eine natürliche Reaktion, weil sie seit eh und je überlebensnotwendig zur Erhaltung unserer Spezies ist.
     Sie werden auch hier normalerweise in der Lage sein, von der gesuchten Person ein nahezu identisches Ebenbild fertigen zu lassen


     In manchen Fällen speichert das Gehirn aber nicht automatisch das Aussehen der gesuchten Person ab.

     Die folgenden Beispiel-Fälle zeigen, wann die angeborene Feind-Wiedererkennung nicht aktiviert wird.

Zeuge einer Straftat
Fall 1


     Etwas schlechter sieht es aus, wenn Sie nicht selber angegriffen werden.
     Sie beobachten in der Straßenbahn einen Streit zwischen einem älteren Mann und einer Gruppe Jugendlicher. Sie beobachten die Szene ein wenig aber ohne sich zunächst große Gedanken darüber zu machen. Nun wird der ältere Herr aber zu Boden gestoßen und von einem aus der Gruppe geschlagen. Sie wollen gerade eingreifen, als die Straßenbahn am Bahnhof hält und die Gruppe aussteigt und davonrennt. Es ist Ihnen wichtiger nach dem Befinden des Mannes zu schauen, als die Jugendlichen zu verfolgen. Sie benachrichtigen den Schaffner über die Sprechanlage in der Straßenbahn und verständigen die Polizei. Zwei Beamte und der Rettungsdienst treffen kurze Zeit später ein und können den Mann retten.

Fall 2
     Sie beobachten, wie ein maskierter Mann mit einer Tasche aus einer Bank rennt. Er nimmt die Sturmhaube ab, schaut kurz in Ihre Richtung, steigt in ein Auto und fährt davon. Haben Sie sich das Aussehen gemerkt? Was war es für ein Auto? Wie war das Kennzeichen? In welche Richtung ist er geflohen?

Fall 3
Sie beobachten zwei Männer, die gerade in das Haus Ihrer Nachbarn einsteigen. Da es sich nicht um Ihre Nachbarn handelt und die beiden schwarze Kleidung tragen, rufen Sie die Polizei. Noch bevor die Polizei da ist, kommen die zwei Einbrecher wieder aus dem Haus und verschwinden. Wer waren die Einbrecher? Wie sahen sie aus? Wohin sind sie geflohen? Ihre Nachbarn würden sich freuen, wenn man die Täter fasst und sie ihre gestohlenen Sachen wieder bekommen. Besonders das Notebook, auf dem die ganzen Urlaubsbilder abgespeichert sind.

Fall 4
     Sie sitzen auf einer Bank im Bahnhofswartesaal und beobachten, wie jemand eine Tasche nicht weit von Ihnen neben einer Tür abstellt, sich kurz umschaut und weggeht. Die Person kommt nicht wieder. Die Tasche sieht irgendwie verdächtig aus. Seien Sie misstrauisch! Rufen Sie die Polizei. Denken Sie an den Anschlag auf den Bostoner Marathon am 15.04.2013.


     Sie stehen bei diesen Fällen nicht oder nur wenig unter Stress, da Sie persönlich nicht angegriffen werden oder es nicht wussten. Hier müssen Sie manuell das Abspeichern des Aussehens aktivieren. Nachfolgend erfahren Sie, wie Sie Ihr Gehirn hierfür trainieren können.

Kontakt

Adresse:Filderstadt
Telefon:+49 711 9972488
E-Mail:Rainer.Wortmann@phantombild.info

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